
Schwarzbär im Wald
Peter Schleifenbaum empfängt uns mit einer halben Stunde Verspätung bei unserem vereinbarten Treffen für ein Interview. „Entschuldigen Sie, gestern bin ich in einen Bienenschwarm geraten, und ich war heute morgen beim Arzt, um mir Histamine verschreiben zu lassen.“ Und tatsächlich: eines seiner Augen ist dick zugeschwollen. „Ist das die Gefahr, die die Arbeit im Wald mit sich bringt“, will ich wissen. „Nein“, sagt Schleifenbaum. „Ich wollte den Honig ernten, und habe die Bienen offensichtlich gestört.“ Quasi als Trost, dass wir keine Fotos von ihm machen können, schenkt er uns ein Glas frischen Bienenhonig.
Als deutscher Auswanderer in Kanada
Peter Schleifenbaum hat eine beispiellose Karriere als deutscher Auswanderer nach Kanada hinter sich. Schon als Achtjähriger erbte er eines der größten privaten Waldgebiete Kanadas von seinem Vater. Das 40.000 Hektar große Waldstück grenzt südlich an den Algonquin Park in Ontario an und gehörte einst einem Baron, dem Schleifenbaums Vater den Wald abkaufte. Schleifenbaum, der aus dem Hochsauerland stammt, studierte in Deutschland Forstwirtschaft und wollte eigentlich gar nicht auswandern. Als aber sein Sägewerk in Kanada in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, entschloss er sich, zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern nach Kanada auszuwandern. Eine weise Entscheidung, wie sich herausstellen sollte: heute bewirtschaftet er den Haliburton Forest zu etwa 40 Prozent waldwirtschaftlich und zu 60 Prozent touristisch.
Bäume können für vieles genutzt werden
Das riesige Waldgebiet des Haliburton Forest enthält nicht nur Hunderttausende von Bäumen, sondern außerdem etwa 70 Seen, die sich ebenfalls im Besitz von Peter Schleifenbaum befinden. Und weil er dieses Waldstück langfristig ertragreich bewirtschaften will, entschied sich der gelernte Forstwirt dafür, neben einer selektiven Baumernte die Bäume auch touristisch zu nutzen. Dafür ließ er sich einiges einfallen: In seinem Wald befindet sich einer der längsten Baumwipfelpfade Kanadas. Wer diesen besuchen will, muss erst einmal mit einem Kanu einen See überqueren, bevor er, mit einem Seil gesichert, in etwa zehn Metern Höhe auf einem schmalen Holzbrett zwischen den Baumwipfeln spazieren gehen kann. Es ist schon ein besonderes Erlebnis, im Blätterdach der Bäume des Haliburton Forest herum zu laufen. Schwindelfrei sollte man allerdings sein.
Ein mehrere hundert Kilometer langes Wegenetz führt durch den Haliburton Forest, auf dem im Sommer Wanderer und Quad-Fahrer unterwegs sind. Im Winter kann man auf den tief verschneiten Wegen mit Schneeschuhen, Snowmobilen oder Langlaufskiern durch die Wälder ziehen. Mit etwas Glück sieht man in diesen abgelegenen Regionen auch einmal einen Elch oder gar einen Bären durch die Bäume streifen. Und wer in freier Wildbahn kein Glück hat, braucht nur das Wolfszentrum des Haliburton Forest zu besuchen. Dort wartet ein ganzes Wolfsrudel auf die Besucher.
Wölfe im Haliburton Forest
„Wie kommt man denn an ein Rudel Wölfe“, frage ich Peter Schleifenbaum. „Ganz einfach“, sagt er. „Man bekommt es geschenkt.“ Und er erzählt, wie er vor einigen Jahren einen Anruf erhielt von einem privaten Wildpark im Westen Ontarios, dessen Besitzer in Rente gehen wollte. Dieser hatte ein frei laufendes Rudel Wölfe auf seinem Gelände, das er in guten Händen wissen wollte. Und Peter Schleifenbaums Wälder waren ein ideales Gebiet für die wilden Timberwölfe. Nach reiflicher Überlegung baute Schleifenbaum sein Wolf Center, ein Gehege, in dem die Wölfe ein großes Gebiet zur Verfügung haben, wo sie ein fast natürliches Dasein führen können. Auch wenn sie inzwischen von den Angestellten Schleifenbaums gefüttert werden, führen sie ein freies Leben mit ausreichend Auslauf.
Einmal pro Woche lädt man im Haliburton Forest Besucher zum Wolfsheulen ein. Dann lockt man die wilden Tiere mit Wolfsgeheul an, und wartet darauf, dass sie in den Wolfsgesang einstimmen. Ein ganz besonderes Erlebnis.
Ein U-Boot in Ontario – das kann doch nicht sein
Und weil er seinen Wald schon so gut kannte, wollte Peter Schleifenbaum auch mehr über die Tiefen seiner Seen wissen. Um diese erkunden zu können, setzte er sich mit der Firma in Verbindung, die schon die Forschungs-U-Boote für Jacques Cousteau gebaut hatte, und ließ sich ein kleines U-Boot für seine Binnenseen konstruieren. Mit allen notwendigen Bundesgenehmigungen stieß das U-Boot schließlich in See und brachte Besucher in die Tiefen der Gewässer auf seinem Waldgelände – zum Vergnügen der Touristen.
Bis das Arbeitsamt von Ontario aktiv wurde. „Wir waren der Überzeugung, wenn wir alle Genehmigungen von den Bundesbehörden vorliegen haben, sollte dies kein Problem sein,“ erzählt Peter Schleifenbaum. Das sollte sich jedoch als Fehleinschätzung herausstellen. Den Beamten des Arbeitsamtes war ein U-Boot in den Seen von Ontario nicht geheuer. Und sie suchten nach Bestimmungen, und sie suchten, und sie suchten. Und fanden zunächst nichts. Bis sie auf die glorreiche Idee kamen, „wenn wir schon keine Gesetze für U-Boote haben, dann nehmen wir doch einfach die Tauchbestimmungen.“ Und so wurde dem Piloten des U-Boots einfach ein Taucheranzug verpasst, wenn er in die Tiefe tauchte – während die Passagiere in normaler Freizeitkleidung daneben saßen. Schließlich konnte man dies dem Piloten nicht mehr zumuten, und so wurden die U-Boot-Fahrten vorerst eingestellt.
Ein erfolgreicher deutscher Auswanderer in Ontario – Peter Schleifenbaum
Doch auch von solchen Rückschlägen lässt sich Peter Schleifenbaum nicht bremsen. Inzwischen lehrt er an der Universität von Toronto Forstwirtschaft und besitzt eine kanadische Professur. Er bewirtschaftet sein Waldgebiet nachhaltig mit dem Ausblick auf zukünftige Generationen, und betreibt ein erfolgreiches Touristikunternehmen. Keine schlechte Erfolgsbilanz für einen achtjährigen Jungen, der einst ein riesiges Waldgebiet in Kanada erbte, oder?
Ein Besuch im Haliburton Forest lässt sich gut auf einer Autoreise durch Ontario oder einer Rundreise durch Kanadas Osten einplanen.
Quelle: eigene Recherchen vor Ort und Interview mit Peter Schleifenbaum, mit freundlicher Unterstützung von Tourism Ontario
Text: Copyright Monika Fuchs, TravelWorldOnline
Fotos: Copyright Monika Fuchs, TravelWorldOnline
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